Bereits seit 2002 laufen die Planungen für die neunte Elbvertiefung. 1825 war die erste abgeschlossen. Der Grund war jedesmal derselbe: Die Elbe erwies sich als ungeeignet für die immer größer werdenden Schiffe, die in den Hamburger Hafen einliefen und -laufen. Profite drohen wegzubrechen, weil Schiffe eventuell lieber auf Rotterdam oder Amsterdam ausweichen, statt die langen Wartezeiten auf geeignete Wasserstände in Hamburg in Kauf zu nehmen. Der pragmatische Geschäftsmann ist damals wie heute schnell zur Stelle: „Dann lassen wir wir das Ding eben tiefer buddeln! Was kann daran schon so schlimm sein?“ Etwas von solcher Naivität steckt noch in den aufgeblasenen Machbarkeitsstudien, die das Vorhaben mit dem Etikett „mittleres Umweltrisiko (3)“ versehen. „Mittleres Risiko“ klingt verkraftbar. Also doch alles nicht so schlimm?
Das sehen viele Expert*innen und Betroffene anders. Bereits früh regte sich Widerstand, u.a. von Seiten des NABU und BUND. Zunächst aber ist schon die ökonomische Begründung seltsam: Im Jahr 2000 einigten sich die Ministerpräsidenten von Hamburg, Bremen und Niedersachen auf die gemeinsame Errichtung eines Hafens in Wilhelmshaven, wo das Wasser bereits natürlicherweise tief genug für die schmutzigen Containerschiffe ist (Jade-Weser-Port). Nur 2 Jahre danach wollten die Regierenden in Hamburg davon plötzlich nichts mehr wissen und beantragten lieber eine weitere Elbvertiefung – obwohl der 1,5 Milliarden Euro teure Hafen in Wilhemshaven nicht annähernd ausgelastet ist. Und ist das Hamburger Geschäft denn ohne Elbvertiefung wirklich so gefährdet? Hamburg liegt weit im Binnenland und hat eine exzellente Zuganbindung – Dafür nehmen Reedereien ja schon seit Jahren Wartezeiten in Kauf. Außerdem benötigt nur ein kleiner Teil der Schiffe wirklich so eine Tiefe. Dazu kommen noch die zusätzlichen Kosten für die schon jetzt enorm aufwendigen „Unterhaltsbaggerungen“, die Sedimente aus dem Hafen pumpen müssen.
Wirklich absurd wird das Projekt aber erst, wenn man die Scheuklappen der Marktlogik ablegt und sich fragt: Was sind denn die „mittleren Umweltrisiken“, die wir für ein kleines bisschen Profit mehr in Kauf nehmen sollen? Zunächst steigt durch eine Vertiefung der Salzgehalt, da mehr Wasser aus dem Meer eingespült wird, was die wichtigen Süßwasserlebensräume an der Tideelbe gefährdet. Außerdem werden die für viele Fische und Wasservögel überlebenswichtigen Flachwasserbereiche zerstört. Zusätzlich kommt es durch höhere Fließgeschwindigkeit und höhere Sedimentgehalte zu einem Sauerstoffmangel, der bereits jetzt bedrohlich ist: So starben im Juli 2014 – in den Sommermonaten ist der Sauerstoffmangel besonders spürbar – Millionen von Fischen in der Elbe. Aber auch die Menschen, die an der Elbe leben, sind unmittelbar gefährdet: Durch die Elbvertiefungen erhöhen sich Strömungsgeschwindigkeiten und Wasserstand. Während der Wasserspiegel im 20. Jahrhundert weltweit im Schnitt 18cm anstieg, waren es in Hamburg-St. Pauli 56cm. Nicht nur der Fischmarkt wird dadurch regelmäßiger überschwemmt, sondern noch verheerendere Überschwemmungen drohen: Weite Teile der Marsch liegen unterm Meeresspiegel. Deichbrüche wären katastrophal.
Stand: Juni 2020